Tagebuch der Republik 1918-1955 | 1994/95

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Die Plakataktion umfaßte 38 Fotoplakate die erstmalig von Oktober 1994 bis Juli 1995 mit wöchentlichem Wechsel, jedes Plakat steht für ein Jahr, an fünf verschiedenen Orten in Stationsbereichen von U-Bahn und Schnellbahn in Wien ausgestellt wurden.

Der Inhalt der Fotoplakate handelt von der Geschichte einer Wiener Familie im Zeitraum 1918 bis 1955.
Die Fotoplakate geben aber nicht nur eine narrativ Familiengeschichte wieder, sondern die Geschichte die diese Plakate bereithalten sind Konstruktion und Fiktion gleichzeitig. Die Spuren führen zwar zu keiner authentischen Geschichte zurück, verlieren aber trotzdem die realen historischen Ereignisse nicht aus den Augen.
Gleichzeitig machen die verwendeten Fotos auch einen Erinnerungsvorgang sichtbar, den die zurückgelassenen "Objekte", die Fotografien selbst in Gang setzen. Der Betrachter bzw. die Betrachterin kann seine/ihre eigene Geschichte darin lesen.
Thereses (die fiktive Tagebuchschreiberin) "Tagebuch der Republik" ist die Kompilation von mehreren lebensgeschichtlichen Interviews mit ZeitzeugInnen. Der Form nach als Tagebuch fiktiv, hält sich der Inhalt an die Tonbandaufzeichnungen. Arrangierte Zitate werden zu einem kollektiv erzählten Stück Zeitgeschichte. Auf die Fußnoten der HistorikerInnen wird verzichtet; Geschichtsschreibung und wissenschaftliche Reflexion weicht dem direkten Zugang zur Geschichte auf der Ebene der Sprache. Dieserart in der Sprache ihrer HandlungsträgerInnen erzählt, wird die Geschichtlichkeit des Individuums und dessen Eingebettetsein in historische Ereignisse nachvollziehbar. Private Fotos aus Amateurhand und Ikonen zeitgeschichtlicher Fotografien stellen den Kontext zu den Zitaten her, verstärken den Text oder bilden den historischen Rahmen.
Formalwissenschaftliche Regeln über die Wiedergabe einer historischen Quelle weichen einer Darstellungsform des Fiktiven ohne den geschichtlichen Bezug gänzlich aufzugeben, denn "Es spielt keine Rolle, ob die Ereignisse, die die unmittelbaren Referenten einer Erzählung bilden, für real oder nur für imaginär gehalten werden; ausschlaggebend ist, ob diese Ereignisse als typisch menschliche Ereignisse aufgefaßt werden." Hayden White 1990

Künstlerisches Konzept/Plakate/Fotoauswahl: Eva Brunner-Szabo
Historisches Konzept/Idee/Textauswahl: Gert Tschögl
Mitarbeit: Hans Christian Heintschel